Post by Joachim PensePost by Markus LochIm Teil-Thread geht es mir um die Frage, ob das
Krahe'sche Alteuropäisch Indogermanisch ist oder nicht.
Krahe sagt ja, Venneman sagt "kann nicht sein", ich folge dem.
Ist das eigentlich überhaupt noch ein heute relevanter Konflikt? Dass
Alteuropäisch nicht indogermanisch ist, dürfte heute kaum einer
bezweifeln. Wenn ich recht verstanden habe, behauptet Vennemann aber,
die alteuropäischen Sprachen seien mit dem Baskischen verwandt, und das
ist wohl sehr umstritten.
Die Schwierigkeit unserer Diskussion besteht darin, dass
du den Diskussionsgegenstand nicht kennst, oder, was noch
schlechter ist, eine Vorstellung davon hast, die falsch ist.
Deshalb eine kurze Erläuterung:
Alteuropäisch:
Die Sprachschicht Alteuropäisch ist heute fester Bestandteil
der Indogermanistik. Wenn jemand Indogermanistik studiert,
kommt er automatisch damit in Kontakt, weil sie zum Studium
dazugehört.
Woher wissen wir von dieser Sprachschicht?
Durch die Flussnamen, die europaweit weitgehend einheitlich ist.
Wer hat Alteuropäisch begründet und erforscht:
Hans Krahe, ein bedeutender Indogermanist.
Können wir Sätze bilden in Alteuropäisch?
Nein, dazu haben wir mit 16 Wörtern und 11 Bildungsschemas
zuwenig Sprachmaterial.
Was ist noch bekannt über Alteuropäisch?
Die Verbreitung ist riesig, Von der Russischen Grenze bis nach
Galizien in Spanien und von Norwegen bis in die Toskana reicht das
Gebiet (bis auf eine kleine Lücke in Ostdeutschland).
Allein aufgrund dieser Tatsache konnten die Wörter und
Bildungsschemas ausgesondert werden.
Drei Beispiel für das Bildungsschema:
Stamm Kara:
Ableitungen: (+)Karanta; Karantia Karantios; Karisa (*)Karusios; Karista
Stamm: Sala
Ableitungen: Salia; Salma; Salara; Salantos; (+)Salantas;(*)Salusia
Stamm: Ala
Ableitungen: Alia; Alma; Alara; (+)Alantas; (*)Alisa...
Stämme: Aga, Aisa/Isa, Ala, Alba, Ara, Arga, Ava, Drava/Dravos,
Kara/Karos, Pala/Pola/Pela, Sala, Sara/Sora/Sera,
Sava, Tara, Vara, Visa
Ableitungen: -ia, -ua, -ma, -na, -ra, la, nta/ntia, sa/sia, sta, ka, ta
Eine Matrix der 16 Stämme und 11 Ableitungen, die 176 Felder hat,
ist fast zur Hälfte (80) mit existierenden Flussnamen belegt!
Rein statistisch ist es völlig ausgeschlossen, dass in so
einem grossen Gebiet rein zufällig Flussnamen mit ihren
einheitlichen Ableitungen so entstehen.
Wie wird Alteuropäisch gedeutet:
Es gab einen initialen Vorgang, der alle Flussnamen auf einmal,
meint in kurzer Zeit, benannte und zwar von einem Volk mit einer
einheitlichen Sprache.
--
Krahe, der all das herausgearbeitet hat, deutete Alteuropäisch
als frühes Indogermanisch, denn Indogermanisch war ja sein
Forschungsgegenstand, es lag also nahe, dass so zu deuten.
Und genau hier beginnt der Streit. Denn es gibt Schwierigkeiten
mit der Indogermanisch-Theorie, die da lauten:
1.) Das Gebiet, auf dem Alteuropäisch vorkommt, ist zu gross.
Gebiete, die in geschichtlicher Zeit nicht indogermanisch
waren, haben die gleiche Benennung der Flüsse. Krahe kannte
das Argument und hat sich mit einer Notlösung beholfen,
indem er sagt, die Gebiete wurden sekundär alteuropäisiert,
meint bei ihm indogermanisiert.
Er muss aber die Schwäche dieser Argumentation gekannt haben;
es gibt keinerlei Hinweise, dass die Namensschicht in
Südeuropa jünger ist, als die im Norden. Im Baskenland, dem
letzten Gebiet in Europa, das nicht indogermanisiert ist,
ist Alteuropäisch sogar sehr vital vertreten.
2.) Der Vokalismus stimmt nicht sehr gut, auffallend ist die
Häufung des Vokals "A", dass im Indogermanischen selten war,
wenn es überhaupt vorkam. Zudem steht A häufig im Anlaut.
3.) Bei den Konsonanten fällt auf, dass Plosive kaum
vertreten sind.
4.) Der Bildungsmechanismus deutet auf eine agglutinierende
Sprache hin.
5.) Die Ablautung der Flussnamen passt nicht in das indogermaische
Ablautschema.
Es gibt aber eine Sprachfamilie in Europa, auf die die
hergeleiteten Merkmale sehr gut passen und die noch einen
letzten Überlebenden Ast hat: das ist Vaskonisch mit Baskisch.
Im heutigen Baskischen beginnen ein Siebtel der Wörter mit A.
Baskisch ist agglutinierend.
Das Szenario lief also so ab:
Am Ende der Eiszeit sassen die Menschen im heutigen Aquitanien
in der Pole-Position. Das dort, auch während der Eiszeit
Menschen gelebt haben, wissen wir durch die Höhlenmalereien
und durch den Fundort bei
de.wikipedia.org/wiki/Abri_de_Cro-Magnon
Der grosse Rest von Europa lag unter Eismassen begraben
oder war unbewachsenes Vorland der Gletscher. Europa
war also menschenleer bis auf Aquitanien.
Dann schmolzen die Gletscher und der Cro-Magnon-Mensch
breitet sich in die frei werdenden Räume aus (~8000vch)
In dieser Phase benennt er die Flüsse (und alle markanten
geografischen Strukturen) initial. Europa hat für kurze
Zeit eine Sprache: Vaskonisch und das ist das Krahe'sche
Alteuropäisch.
Gruss
Markus