Post by Michael FesserWo ist denn der Unterschied zwischen psychiatrischen Benachteiligungen
und Religionen?
SCNR
Das "SCNR" ist mir nicht entgangen, mit dem man gerne einen launigen Witz
abschließt. Du musst das also nicht unbedingt ernstgemeint haben. Falls
doch:
Es ist dem Menschen angelegt, sich die Welt zu erklären. Vielleicht die
allergrößte Frage: Wie entstand sie? Möglich, dass sie bereits der
Neandertaler stellte, auf jeden Fall aber sehr frühe Menschen, die nach
heutigen Maßstäben schlicht und ergreifend noch keine Ahnung hatten.
Dennoch fanden sie weltweit Hunderte Erklärungen. Und nur deshalb nicht
Tausende, weil die Weltbevölkerung damals noch sehr klein war.
Aber nicht nur die Entstehung, sondern auch das Funktionieren der Welt war
immer von Interesse. Wenn also jemand einen Schnupfen bekam, obwohl der
doch gerade eben einer alten Frau über die Straße geholfen hatte, dann
musste es wohl eine Strafe der Ahnen dafür sein, dass er seinen Teller
nicht leergegessen und damit schlechtes Wetter verursacht hatte.
Das ist nicht verrückt, das ist Wissenschaft nach dem Vermögen der
jeweiligen Zeit und der örtlichen Kultur.
Nachdem erst mal Götter & Co. in der Welt waren, gehörten sie zu den
Selbstverständlichkeiten des Lebens, niemand zweifelte sie an. Das geht
bei vielen Menschen so bis heute.
Dazu ein Döntjes: In meinem Umfeld befand sich auch mal eine nigerianische
Christin. Als sie von mir hörte, dass ich Atheist sei, musste sie
schallend lachen. Wie kann man an Gott zweifeln? Sie konnte nur an meinem
Verstand zweifeln. Das wollte ich mit dem letzten Absatz ausdrücken.
Aber mit dem Wissen, über das wir heute (nicht unedingt in jedem
nigerianischen Dorf) verfügen, können wir im Zusammenhang mit Religionen
statt von pyschiatrischen von intellektuellen Defiziten sprechen. Damit
meine ich nicht den Gott- oder Götterglauben schlechthin, der sich den
Maßstäben der geistigen Leistungsfähigkeit entzieht. Nein, ich meine damit
religöse Aspekte, die offensichtlich widerlegt sind. "Schuld" sind die
früheren Menschen, die, wie oben geschildert, nach bestem Wissen und
Gewissen versuchten, die Welt zu erklären.
Aber die Bibel ist nun mal kein Physikbuch. Wer also unmögliche dort
geschilderte "Ereignisse" wörtlich nimmt und nicht ins Reich der Mythen
verweist, ist blöde, um es rundheraus zu sagen.
Beispiel: Sollte es jemals eine weltweit wirksame Sintflut gegeben haben,
ohne dass ein Gott gigantische Mengen von zuvor einfach nicht vorhandenem
Wasser aus dem Hut zauberte, dann nach dem Abschmelzen des Eises nach der
letzten Eiszeit. Das betraf immerhin, je nach Steilheit der Küsten,
Gebiete von bis zu mehreren hundert Kilometern landeinwärts. Dumm nur,
dass das letzte dieser Ereignisse je nach Definition von "Eiszeit" schon
vor 10.000 Jahren oder noch sehr viel früher vorbei war. Zu Noahs Zeiten
konnte davon keine Rede mehr sein. Dumm auch, dass geo- und archäologisch
nicht der kleinste Hinweis überkommen ist, irgendein jenseitiges Wesen
hätte da irgendwelche Aktien drin gehabt.
(Ob Noah überhaupt "Zeiten" hatte, ob er also in einer Zeit gelebt hat,
müssen wir jetzt nicht diskutieren.)
Wärst Du damit einverstanden?: Religiosität ist nicht verrückt, aber
verrückte Religiosität ist dumm.
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Tschüs!
Arnulf